Donnerstag, 28. Juni 2007

Freitag, 15. Juni 2007

Der Streber

Der Streber

Langsam stand Tobias wieder auf und nahm seine Brille. Sie hatten ihn wieder zu Boden geschlagen. Er ging aufs Klo, nahm einen Schluck Wasser und schaute sich dann lange im Spiegel an. Schon klar, dass mich keiner beachtet. Ich bin Luft für alle. Sie nennen mich Streber oder Freak. Aber warum kann ich nicht einfach so selbstbewusst dastehen wie die anderen Typen? Er stand noch eine Weile da, starrte Gedankenlos auf den Spiegel und ging dann zurück in die Klasse und setzte sich wieder auf seinen Einzelplatz. Draußen schien die Sonne und Tobias schweifte mit seinen Gedanken vom Unterricht ab und schaute hinaus. Er hörte wie die anderen aus der Klasse darüber redeten, wie sie heute alle zusammen zum Strand gehen würden. Ich will auch einmal etwas unternehmen. Aber ich hab ja niemanden. Ich bin auch viel zu schüchtern um auf die Leute zu zugehen. Ich weiß nie, was ich sagen soll, wenn ein Mädchen vor mir steht. Sie beachten mich einfach nicht. Für sie bin ich Luft. Sein Körper sank immer tiefer in den Stuhl und seine Schultern zogen sich hoch. Tobias war sich in fast jeder Situation so unsicher, dass diese Haltung schon permanent seinen Körper zeichnete. Er redete nie viel in der Schule. Er ließ seine Körpersprache für ihn sprechen. Oft genug hatte Tobias versucht, Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden. Aber sie nahmen ihn einfach nicht ernst. Für sie war es Unterhaltung, wenn Tobias sich auf den Boden hockte, die Knie zu seinem Körper zog, die Augen fest zu presste und nicht wusste, wie er sich verteidigen sollte. Sie lachten ihn aus, bis ihm die Tränen in die Augen schossen. Tobias dachte oft an seinen verstorbenen Vater. Ist er der Grund für mein beschissenes Leben? Ein Einzelkind das nur bei der Mutter aufwächst, die fast nie zu Hause ist, muss ja wohl eine kaputte Persönlichkeit haben. Aber ich kann Vater nicht die Schuld für mein Leben geben. Es liegt an mir, es zu ändern. Doch das schaffe ich nicht. Ich werde nie so stark sein. Bis an mein Lebensende werde ich als kleiner, nichtsnutziger Wurm herum kriechen und der unbeachtete Typ sein, den niemanden kennt und über den niemand etwas wissen will. Ich bin ja sogar für meine Mutter eine Belastung. Sie hält es kaum aus, wenn ich alleine zu Hause herumsitze, nicht weiß was ich mit meiner Zeit anfangen soll, oder in der Scheune liege und weine. Ich wette, niemandem würde es auffallen, wenn der Freak mit der großen Brille nicht mehr in seiner Schulbank sitzt. Sie würden mich vergessen und ich wäre auf einmal ausgelöscht. Niemand kümmert es, ob ich da bin, oder nicht. Langsam kletterte er aus dem Fenster des sechsten Stockes und schaute mit betrübtem Blick auf die Straße. Nicht einmal wenn ich mich umbringen will, interessiert es jemanden, dachte er sich. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien ihm ins Gesicht und leise sagte Tobias: „Ich werde mein Leben nie vergessen. Ob ihr es tut, ist mir egal. Er ließ los und sprang. Zum ersten Mal in seinem Leben waren ihm die Gedanken der anderen Leute egal. Und dann war es vorbei. Er prallte auf den Boden auf. Sein Körper lag regungslos auf dem Asphalt und niemand merkte auch nur das Geringste. Der kleine Tobias mit der großen schwarzen Brille geriet in Vergessenheit und niemand dachte mehr an ihn. Sein Leben war vorbei und er war ausgelöscht